"Elektra" von Richard Strauss | Die Orchesterfassung für Würzburg 2023
Am 25. Januar 1909 wurde die Oper Elektra in Dresden mit einem Orchester von beeindruckender Größe uraufgeführt: Die Partitur fordert über 120 Ausführende.
Neben der Originalfassung ließ Strauss eine zweite, von Otto Singer erstellte Version für reduzierte Besetzung veröffentlichen. Sie war und ist ausdrücklich für Theater gedacht, «die nicht über eine so grosse Orchesterbesetzung verfügen[,] wie der Componist verlangt[.]» (Anmerkung von Singer, zitiert von Strauss selbst).
Diese reduzierte Fassung gibt Geist und Klang der Partitur wieder, verzichtet aber auf die Farben vieler Sonderinstrumente: So fehlen Wagner-Tuben, Basstrompete, Kontrabassposaune, Heckelphon und Bassetthörner. Diese Instrumente und deren Soli werden von anderen Instrumenten übernommen. Beispielsweise erklingen wichtige Themen und Motive der Wagner-Tuben in der Posaunengruppe, und vergleichbar verfährt Singer in der gesamten Partitur mit allen fehlenden Instrumenten.
Auf dieser Fassung und mit den Orchesterstimmen aus der Mainzer Schott-Ausgabe basiert meine Version für Würzburg 2023. Ausgehend von absolutem Respekt vor dieser Ausgabe hielt ich es jedoch für unerlässlich, einige der grundlegenden Eingriffe dieser Sonderinstrumente wieder einzuführen. Die Wagnertuben, eine grundlegende Farbe für den Monolog der Klytämnestra, aber vor allem für die dramaturgische Definition der Figur des Orest, werden an diesen Stellen mit dem Originaltext der Urfassung wieder eingeführt, ebenso wie die großen Soli von Kontrabassposaune, Basstrompete und Bassetthorn.
Die besondere räumliche Verteilung der unterschiedlichen Bläsergruppen unterstreicht zusätzlich die dialektische Verknüpfung der Auftritte der einzelnen Figuren mit der entsprechenden Instrumentierung und verleiht ihnen auch eine szenische Bedeutung: Ein Beispiel sind die Klarinetten bei Aegisths Auftritt oder die Wagner-Tuben für Orest.
Andere wichtige Soli, wie die des Kontrafagotts, sind bereits in der reduzierten Fassung vorhanden: In diesem Fall habe ich die dritte Fagott-/Kontrafagottstimme, die in der reduzierten Fassung von nur einer Person gespielt wird, auf zwei Ausführende aufgeteilt und somit ermöglicht, weitere in der reduzierten Fassung geopferte Einsätze des Kontrafagotts zu realisieren.
Um den Gesamtklang des Orchesters an das klangliche Ergebnis dieser Umgestaltung anzupassen, aber auch unter Berücksichtigung der Akustik der Theaterfabrik Blaue Halle (der interimistischen Spielstätte des Mainfranken-Theaters in der Zeit der Sanierung des Hauses), habe ich den Umfang der Streicherbesetzung angepasst. Im Vergleich zur Originalfassung wurde die Anzahl der Bratschen von 18 auf 9, der Celli von 12 auf 6 und der Kontrabässe von 8 auf 4 je um die Hälfte reduziert. Von den insgesamt 24 ersten, zweiten und dritten Violinen spielen 18. Diese Reduktion erfordert eine Neuformulierung zahlreicher Soloeinsätze in der Streichergruppe, um den Intentionen der ursprünglichen Partitur von Strauss nahezu vollständig gerecht zu werden.
Im Elektra-Orchester der Würzburger Fassung von 2023 spielen insgesamt 72 Musiker- und Musikerinnen.
Enrico Calesso